Beitrag von Määphisto (Filmfenster Podcast)
USA / NZ • 2022 –
Beginnend in einer Zeit relativen Friedens folgen wir verschiedenen Charakteren, die sich dem Wiedererstarken des Bösen in Mittelerde stellen. Von den dunkelsten Tiefen des Nebelgebirges über die majestätischen Wälder Lindons und dem Inselreich Númenor bis hin zu den entlegensten Winkeln der Karte werden diese Königreiche und Charaktere ein Vermächtnis hinterlassen, das noch lange weiterlebt.
Quelle: Amazon Prime Video
- Entwicklung
Patrick McKay
John D. Payne - Produktion
Ron Ames
Christopher Newman
- Studio(s)
Amazon Studios
Harper Collins
Warner Bros. - Vertrieb
Amazon Prime Video
Vorwort
Eine Milliarde Dollar, um in Schönheit zu sterben
Keine Buchreihe prägte die Geschichte der Fantasyliteratur so wie JRR Tolkien’s Lord of the Rings. Die dreiteilige Buchreihe gehört zu den erfolgreichsten literarischen Werken des 20. Jahrhunderts. Noch bevor ein Hobbit oder Ork jemals über die Leinwand flimmerte, galt die Buchvorlage über Jahrzehnte als nicht verfilmbar. Trotzdem ist Lord of the Rings bis heute die Blaupause für alles, was das Fantasygenre je hervorgebracht hat. Nach einem mässig erfolgreichen Zeichentrickfilm zur Kurzgeschichte «Der Hobbit», nahm sich Regisseur Peter Jackson der grossen Buchvorlage an. Der Rest ist Kinogeschichte. Die «Lord oft the Rings» Trilogie, welche zwischen 2001 und 2003 über die Kinoleinwand flimmerte, war ein gigantischer Erfolg. Bis heute sind diese Filme prägend und begeistern Generationen. Der grosse Kassenerfolg und die weltweite Begeisterung liess in den Folgejahren nicht nach. Immer wieder wurden Stimmen für weitere Verfilmungen aus diesem Universum lauter. Nach vielen Querelen und Regiewechseln setzte sich Peter Jackson noch einmal in den Regiestuhl. Zwischen 2012 und 2014 entstand die Filmreihe «Der Hobbit» und erzählte die Vorgeschichte zur erfolgreichen Trilogie. Trotz grossem Kinokassenerfolg konnten die Filme inhaltlich und in der Gesamtqualität nicht mit den Vorgängern mithalten. Neben einigen Videospieladaptionen wurde es danach ruhig um die Lord of the Rings Vorlage.
Mit dem Einstieg ins Streamingbusiness des Grosskonzerns Amazon, sollte sich das ändern. Im Jahr 2017 kaufte dieser für rund 250 Millionen Dollar die Rechte an der Vorlage. Amazon hatte Grosses vor. Doch die Umsetzung sollte sich in vielen Bereich als schwierig erweisen. Man entschied sich gegen eine Kinoreihe und blies zur Attacke auf den umkämpfen Streamingmarkt. Im harten Verdrängungskampf der Anbieter sollte Lord of the Rings die Kunden in Scharen zum Streamingdienst ziehen. Amazon wollte die teuerste und aufwendigste Serie aller Zeiten produzieren. Man liess kein Stein auf dem anderen. Die Zahlen sollten gigantisch werden. Zwischen 750 Millionen und einer Milliarde Dollar flossen in Lord of the Rings – The Rings of Power. Stellt man diese Summe in Relation zur ursprünglichen Trilogie aus den Jahren 2001 bis 2003, verkommt Peter Jacksons Filmreihe zur Independentproduktion. Neben Rechtsstreitigkeiten mit den Tolkienerben, blies Amazon ein rauer Wind entgegen. Die Lord of the Rings Fans überwachten jede Entscheidung mit Argusaugen. Bereits vor Produktionsstart im Februar 2020, war die Serie überschattet von Negativschlagzeilen. Wütende Fans kritisierten u.a. den Cast und warfen Amazon vor, die literarischen Vorlagen zu verwässern, um Gesellschaftsnormen zu entsprechen. Immer wieder gab es wütende Reaktionen im Netz, welche auch während der Produktion nicht der ersten Staffel anhielten. Bei der Kommunikation und Reaktionen auf die teilweise grosse Wut der Fans erwies sich Amazon als unglücklicher Kommunikator und goss teilweise noch mehr Öl ins Feuer.
Am 2. September 2022 startete die erste Staffel auf dem hauseigenen Streamingdienst. In den ersten acht Episoden musste sich die grösste Serienproduktion aller Zeiten beweisen. War die Empörung berechtigt?
Inhalt
Die erste Staffel beginnt mit einem Rückblick auf das erste Zeitalter in der fiktiven Welt Mittelerde. Eine finale Auseinandersetzung mit dem dunklen Herrscher Morgoth soll seine dunkle Regentschaft beenden. Es kehrt Frieden ein. Doch die Elbenkriegerin Galadriel traut diesem Frieden nicht. Sie ist davon überzeugt, dass Morgoth’s Rechte Hand, der Hexenmeister Sauron, noch existiert. Sie begibt sich auf Spurensuche und jagt Sauron. Als Elbenfürst Gil-Galad den Krieg für beendet erklärt, steht Galadriel alleine da. Als letzte Reise soll Galadriel mit dem Schiff in die unsterblichen Lande von Valinor fahren. Sie widersetzt sich jedoch diesem Plan, springt von Bord und trifft auf den schiffbrüchigen Halbrand. Zusammen werden sich vom Seefahrer Elendil aufgenommen und ins Königreich Númenor gebracht. Dort versucht Galadriel nun die Menschen und die Herrscherin Miriel von der Gefahr Saurons zu warnen. Sie ist überzeugt, dass Sauron in den Südlanden von Mittelerde ein neues Reich gründen will. Bald schon steht ein bekannter Name im Mittelpunkt. Elendils Sohn Isildur tritt in Erscheinung.
Parallel dazu zeichnet sich diese Entwicklung in den Südlanden ab. Der Waldelbe Arondir und die Heilerin Bronwyn untersuchen das Verschwinden von Menschen. Die Orks, unter der Führung des korrumpierten Elben Adar, suchen nach einem Artefakt. Dieses Artefakt scheint in den Händen von Bronwyns Sohn Theo zu sein. Die Orks schrecken vor nichts zurück, um es in die Hände zu bekommen.
Weitere Handlungsstränge spielen in Eregion und der Zwergenhauptstadt Khazad-dum. Der Elbenschmied Celebrimbor plant den Bau der heissesten Schmiede, die es je in Mittelerde gab. Doch das Projekt kann nur mithilfe der Zwerge umgesetzt werden. Das Reich der Elben ist in Gefahr. Aufgrund dessen beauftragt er Elrond, die Zwerge aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Im Mittelpunkt steht dabei die Beziehung zwischen Elrond und Zwergenprinz Durin. Eine schwerwiegende Entscheidung des Zwergenkönigs Durin der III durchkreuzt ihre Pläne und eine uralte böse Macht erhebt sich unter der Erde.
In einem weiteren Gebiet verfolgen wir die Geschehnisse rund um die Haarfüsse (Vorfahren der Hobbits).
Das nomadische Volk erlebt den Absturz eines Meteoriten. Aus diesem entsteigt eine unbekannte Person. Die junge Haarfüssin Eleanor «Nori» Brandyfuss wiedersetzt sich den Warnungen ihres Stammes und sucht den Kontakt zu dem Fremden. Diesen umgibt offenbar ein grösseres Geheimnis.
In diesen Handlungssträngen verfolgen wir in der ersten von fünf geplanten Staffeln das Schicksal der Hauptprotagonisten. Die Handlungen entspringen den Anhängen der Ursprungstrilogie und dem Silmarillion. Was passiert mit Númenor? Wer ist der Fremde aus dem Meteorit? Und wo erwacht nun Bösewicht Sauron zu neuem Leben?
Kritik
Amazon trat ein fast unüberwindbares Erbe an. Die beiden Produzenten Patrick McKay und J. D. Payne mussten diese Mammutaufgabe stemmen und konnten den Altmeister Peter Jackson nicht um Rat fragen. Noch bevor der erste Drehtag begann, waren bei vielen Fans die Meinungen gemacht. Diese Ausgangslage kann aber auch eine Chance sein. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Amazon Studios, Patrick McKay und J. D. Payne mit ihrem Team diese Chance genutzt haben?
Am Ende der acht Episoden muss man klar sagen, nein! Abertausende Fans haben sich in den vergangen zwei Jahren die Finger wundgeschrieben, was Amazon im Umgang mit der Vorlage alles falsch macht. Nach acht Episoden, muss man sagen, sie hatten nicht Unrecht. Die Serie scheitert trotz aller Unkenrufen nicht an der «filmischen Woke-Kultur», einem diversen Cast oder an absurden, von Rassismus triefenden Belehrungen einiger Tolkinianer. Sie scheitert schlichtweg am Drehbuch und an der Inszenierung. Sie schafft es zudem nicht, das wichtigste Element einer Fanatsyvorlage, die Charaktere, glaubhaft und nahbar in Szene zusetzten. Galadriel, gespielt von der eigentlich höchst talentierten Morfydd Clark, bleibt bis zur letzten Episode völlig uninteressant. Markella Kavenagh als Hauptprotagonistin der Haarfüsse kann in ihrer Rolle als Nori zumindest Charme und Nahbarkeit vermitteln, doch auch hier bleibt man weit hinter den Möglichkeiten. Die für Tolkiens Welten charakteristischen Elben können auf weiten Strecken nicht überzeugen. Gil-Galad gespielt von Benjamin Walker verkommt teilweise zum Leientheaterdarsteller, welcher sich auf ein 700 Millionen Dollar Set verlaufen hat. Auch der für die die Geschichte so wichtige Celebrimbor wird von Charles Edwards nicht überzeugend dargestellt. Ausgerechnet der im Vorfeld am meist kritisierte Castentscheid Ismael Cruz Córdova als Arondir, blüht in der zweiten Hälfe der ersten Staffel auf. Beim Handlungsstrang rund um Arondir und Bronwyn wird beim Zuschauer ein Interesse am Schicksal und der Handlung geweckt. Viele weitere Hauptprotagonist*innen bleiben leider blass und uninteressant. Die Dialoge sind allzu oft Lückenfüller und vermögen es nicht, eine kaum vorhandene Handlung voranzutreiben.
Es stellt sich bei einer solchen Produktion zwangsläufig die Frage, ob man die hohen Investitionen auch bei der Produktion und den Bildern erkennt. Hier hinterlässt Rings of Power einen zwiespältigen Eindruck. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen und digital hochwertig animierte Szenerien stehen unterdurchschnittlichen Sets und Kostümen gegenüber. Doch einer der wichtigsten Kritikpunkte ist die Inszenierung und die damit einhergehende musikalische Untermalung. Völlig uninspirierte und der Handlung nicht zuträgliche Einstellungen und Montagen, mit völlig überflüssigen Zeitlupenaufnahmen, sollen immer wieder Dramatik und grosses Kino erzeugen. Doch bricht man das Geschehene auf das Wesentliche runter, passiert in den meisten Fällen überhaupt nichts. Generell zieht sich das durch die komplette erste Staffel. The Rings of Power will grosses Fantasykino sein und ist doch nur eine leere Hülle. Wenn Amazon diese Serie in das Tolkien Universum integrieren will, muss sich bereits ab Staffel 2 vieles ändern. Diese Kritik endet mit der Beschreibung einer Szene aus der zweitletzten Episode der ersten Staffel. Haarfüssin Nori steht mit Tränen in den Augen vor dem Fremden aus dem Meteoriten, worauf ein belangloser Dialog folgt. Untermalt von monumentaler orchestraler Musik wechselt die Kamera in Zeitlupe zwischen den beiden Hin und Her. Nori übergibt dem Fremden einen Apfel. Szene Ende.
The Rings of Power ist eine Welt, die in Schönheit stirbt und vieles vermissen lässt.